Samstag, 07. Oktober 2017 00:00
Rundschreiben 20/2017
4. Ausübung ärztlicher Tätigkeiten durch Lehrpersonen (§ 66a und 66b SchUG)
Gesundheitsvorsorge für die schulbesuchende Jugend
Damit das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) seiner Aufgabe des Schutzes und der Vorsorge der Gesundheit der schulbesuchenden Jugend nachkommen kann, darf es sich der gemäß § 66 SchUG eingerichteten schulärztlichen Strukturen bedienen. Die Festlegung eines klaren Aufgabenkatalogs nimmt die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit und Frauen im Rahmen der im Gesetz enthaltenen Verordnungsermächtigung vor. § 66a SchUG1 zählt einige der grundlegenden Aufgaben in demonstrativer Form auf, die Schulärztinnen bzw. Schulärzte im Rahmen des Gesundheitswesens und damit unter der Verantwortung der Gesundheitsbehörden (Bezirksverwaltungsbehörden/Magistrate) und damit für das BMGF erfüllen. Dazu gehören etwa die Gesundheitsberatung, das Organisieren und Durchführen von Schutzimpfungen, das Bekämpfen von Infektionskrankheiten oder das Durchführen von Screenings.
1 erst in Kraft mit 1.September 2018
Ausübung ärztlicher Tätigkeiten nach § 50a Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 durch Lehrpersonen - § 66b SchUG
Prinzipiell können Lehrkräften all jene Tätigkeiten abverlangt werden, die medizinischen Laien zumutbar sind. Diese zumutbaren Tätigkeiten sind Teil der lehramtlichen Obliegenheiten im Sinne des § 211 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG), BGBl. Nr. 333/1979 idgF, bzw. § 31 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG), BGBl. Nr. 302/1984 idgF, sowie der einschlägigen für Vertragslehrerinnen und Vertragslehrer geltenden Bestimmungen. Zu ihnen gehören das Überwachen der selbstständigen Medikamenteneinnahme, das orale Verabreichen ärztlich verschriebener Medikamente oder das Herbeiholen von ärztlicher Hilfe. Diese Tätigkeiten sind Aufsichtsführung gemäß § 51 Abs. 3 SchUG und gesetzlich angeordnet. Sollte in einem solchen Fall eine Schülerin bzw. ein Schüler zu Schaden kommen, greift das Amtshaftungsgesetz (AHG), BGBl. Nr. 20/1949 idgF. Es haftet nicht die Lehrkraft, sondern die Republik Österreich.
Chronisch kranke Kinder und Jugendliche benötigen oftmals routinemäßige pflegerische und/oder medizinische Betreuung, dies auch während der Unterrichtszeit. Handelt es sich dabei um keine Laientätigkeit mehr, besteht die Möglichkeit der Übertragung nach § 50a des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idgF. Gemäß dieser Regelung kann die Ärztin bzw. der Arzt (niemals aber die Eltern der betroffenen Schülerin bzw.. des betroffenen Schülers) im Einzelfall einem Laien wiederkehrende Tätigkeiten, die ansonsten nur von Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe durchgeführt werden dürfen, nach vorhergehender Unterweisung übertragen. Die Lehrkraft hat das Recht, die Übernahme der Tätigkeit abzulehnen. Auf die Möglichkeit der Ablehnung muss die Ärztin bzw. der Arzt ausdrücklich hinweisen. Die Übernahme von Tätigkeiten nach § 50a Ärztegesetz erfolgt immer freiwillig. Eine Weisung, sich für die damit verbundenen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, können Schulleitungen Lehrkräften nicht erteilen. Ebenso hat die betroffene Schülerin bzw. der betroffene Schüler bzw. deren Erziehungsberechtigte der Übertragung zuzustimmen. Durch § 66b Abs. 1 SchUG wird die freiwillig übernommene Tätigkeit nun zu einer Dienstpflicht, womit die Lehrperson in Vollziehung der Gesetze handelt. Sollte der Schülerin bzw. dem Schüler ein Schaden entstehen, haftet die Republik Österreich nach dem AHG.
Exkurs: Notfall
Bei einem Notfall muss von jedem die offensichtlich erforderliche und zumutbare Hilfe geleistet werden (§ 95 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 idgF). Lehrkräfte bilden also in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Dabei kann die Hilfeleistung auch Tätigkeiten umfassen, die sonst nur von Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe durchgeführt werden dürfen.
So sind Lehrpersonen im Notfall verpflichtet, einer unter einer Bienenstichallergie leidenden Schülerin bzw. einem unter einer Bienenstichallergie leidenden Schüler die mitgeführte Injektion zur Vermeidung einer allergischen Reaktion zu verabreichen (z. B. Wandertag).
Gleiches gilt für Maßnahmen in Verbindung mit epileptischen Anfällen oder einer sonstigen unvermutet eingetretenen Situation. Notfälle sind Situationen, die ein unverzügliches Eingreifen zum Vermeiden eines schweren gesundheitlichen Schadens oder von Schlimmerem erforderlich machen.
Werden Lehrkräfte im Rahmen eines Notfalls aktiv, kommen sie einer sich aus § 95 StGB ergebenden Verpflichtung nach. In Verbindung mit § 51 Abs. 3 SchUG handeln sie in Vollziehung der Gesetze und werden damit durch das AHG geschützt.
Wird in einem Notfall nicht gehandelt, obwohl ein Eingreifen zum Vermeiden einer schweren Beeinträchtigung der Schülerin bzw. des Schülers notwendig und zumutbar war, besteht das Risiko, sich einer strafrechtlichen Verfolgung wegen § 95 StGB ausgesetzt zu sehen.