Abs. 2 - Häuslicher Unterricht
Besondere Aufmerksamkeit liegt in mehrfacher Hinsicht beim häuslichen Unterricht. Während bei bestehenden Privatschulen gewisse Voraussetzungen vor deren Errichtung bereits erfüllt werden mussten und auch die Arbeitsweisen der Behörde im Wesentlichen bekannt sind, birgt der häusliche Unterricht insbesondere hinsichtlich der unterrichtenden Person(en) einige Unbekannte.
Die Behörde (Bildungsdirektion) muss in jedem Einzellfall prüfen, ob mit großer* Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes gegeben ist.
Andernfalls muss die Teilnahme am häuslichen Unterricht untersagt werden und das Kind muss eine öffentliche oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung besuchen.
* Per Novelle, die -wie im Editorial (Seite 1) angemerkt- ohne Begutachtung in ein begutachtetes Paket von Novellen eingefügt wurde, nun als Regierungsvorlage * aufliegt und am 15.12.2021 zur Abstimmung im Parlament vorgesehen ist, wird das Wort „großer“ durch den Begriff „überwiegender“ ersetzt werden.
Dies soll wohl zu Ausdruck bringen, dass sehr große oder größere Wahrscheinlichkeit als derzeit vorgesehen ist, wenngleich die Formulierung „überwiegend“ zB. Im Kontext mit der Leistungsbeurteilung zwischen „mindestens 50%“ und „mindestens 60%“ pendelt.
* <Anmerkung: Die Novelle wurde am 30.12.2021 kundgemacht BGBl. I Nr. 232/2021 >
Die Behörde hat einen Ermessensspielraum,
der aber innerhalb von Grenzen liegt, die auch aus der Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts ersichtlich werden.
Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts.
„..., ist weder den Bestimmungen des SchPflG noch sonstigen schulrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, dass der häusliche Unterricht gegenüber dem "Regelschulwesen" mit einem Mangel behaftet wäre. Im Gegenteil geht § 11 SchPflG davon aus, dass der häusliche Unterricht grundsätzlich dem "Regelunterricht" gleichwertig ist und wird der Behörde die Feststellung aufgetragen, ob dies auch im konkreten Einzelfall gegeben ist.“ (Spruch W128 2109944-2/7E)
Angaben zur Person
Per Novelle (siehe oben) soll es ab 1. Mai 2022 Angaben zur Person geben, die den häuslichen Unterricht führend erteilen wird. Im § 11 Abs.3 soll als 2. Satz eingefügt werden:
„Bei der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 sind Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person bekannt zu geben, welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird.“
Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts:
„...Die Prüfung der Qualifikationen der unterrichtenden Person mag zwar auf den ersten Blick im Rahmen des § 11SchPlG ein Gleichwertigkeitskriterium sein, jedoch ist gem. Art. 17 Abs. 3 StGG verfassungsmäßig ausgeschlossen, dass ein Fehlen der entsprechenden Befähigungen zu einer Einschränkung bei der Erteilung von häuslichem Unterricht führen kann.
Somit ist im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung das Bestehen der Behörde auf einen Nachweis der Befähigung unzulässig...."
"...Auch die zwingende Vorlage einer Jahresplanung unterwirft den häuslichen Unterricht einer Beschränkung, da, ..., Methodenfreiheit herrscht und eine zwingende Jahresplanung sämtliche Unterrichtsmethoden ausschließen würde, die von einer individuellen, flexiblen Erarbeitung des Lehrstoffs ausgehen...“ (Spruch W128 2109944-2/7E)
Soziales Lernen – kein Kriterium für Gleichwertigkeitsprüfung
Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts siehe Spruch W129 2013648-1/10E:
"Soziales Lernen" ist ein didaktischer Grundsatz, der der Unterrichtsgestaltung der Lehrer dient, und sich auf den Erwerb "sozialer Kompetenz" der Schüler richtet. "Soziales Lernen" bzw. "soziale Kompetenz" stellt jedoch kein Lernziel dar, welches mittels einer Externistenprüfung nach § 11 Abs. 4 SchPflG beurteilt werden kann. Schon deswegen können "soziales Lernen" bzw. "soziale Kompetenz" keinen Maßstab für häuslichen Unterricht darstellen. Daher können soziale Defizite oder mangelnde Gleichwertigkeit des "sozialen Lernens" auch keinen Untersagungsgrund bilden. .....
... würde ein solcher Untersagungsgrund einen unzulässigen Eingriff in das nach Art. 17 StGG vorgesehene Grundrecht auf häuslichen Unterricht darstellen, weil der Gesetzgeber bereits mit der Statuierung eines solchen Grundrechtes auf häuslichen Unterricht wohl vom Fehlen sozialer Interaktion mit Gleichaltrigen ausgehen musste."
Verfassungsgerichtshof G 377/2018-8 vom 6. März 2019: keine Garantie für Möglichkeit „häuslicher Unterricht
„Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen (Anmerkung LV: hier, die Regelung durch § 11 Abs 2a SchPflG – Deutschkenntnisse), die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülerinnen und Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (vgl. VfSlg. 19.958/2015).“
Häuslicher Unterricht am Beginn der Schulpflicht
Bei der Anzeige der Teilnahme des Kindes am häuslichen Unterricht muss auch der Lehrplan angegeben werden, nach welchem das Kind unterrichtet werden wird.
Lehrplan der Vorschulstufe und Lehrplan der „ersten Schulstufe“ (jener Teil des Lehrplans der Grundstufe 1, der für schulreife Kinder bei Schuleintritt zur Anwendung kommt)
Die Überprüfung der Schulreife muss im Rahmen der Schülereinschreibung erfolgen, wenn sich für die Schule Gründe zeigen, die gegen das Vorliegen von Schulreife sprechen oder wenn die Eltern dies verlangen. (§ 6 Abs. 2d)
ACHTUNG: Das Datum der Entscheidung ist wichtig.
Die Entscheidung der Schulleitung, dass ein Kind nicht schulreif ist, muss im Rahmen der Schülereinschreibung und somit bis längstens 4 Monate vor Ende des Unterrichtsjahres erfolgen. siehe Erlass zum Schulbetrieb ab 10.Jänner 2022
siehe auch: Schulreifeverordnung
>> siehe Erfolgsnachweis
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- Kategorie: Elternbrief Dezember 2021