Außer Kraft - vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben: BGBl. I Nr. 159/2020
"Kopftuchverbot"
Mit einer Novelle des Schulunterrichtsgesetzes wurde im neuen § 43a eine Regelung in Kraft gesetzt, die unter der Kurzbezeichnung „Kopftuchverbot“ bekannt ist. Konkret lautet die Bestimmung:
„Um die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Schülerinnen und Schüler sicherzustellen, ist diesen bis zum Ende des Schuljahres, in welchem sie das 10. Lebensjahr vollenden, das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist, untersagt. Dies dient der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundes-verfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau.“ (§ 43a Abs.1 SchUG)
Für die Kinderbetreuungseinrichtungen wurden von den Landesregierungen ebenfalls Novellen beschlossen. Der Wortlaut im Steiermärkischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz ist:
„Um die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Kinder sicherzustellen, dürfen Kinder bis zum Schuleintritt in allen Kinderbetreuungseinrichtungen keine weltanschaulich oder religiös geprägte Bekleidung tragen, die mit der Verhüllung des Hauptes verbunden ist. Dies dient der erfolgreichen sozialen Integration von Kindern, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau.“
(§ 4 Abs.2, StKBBG)
Sanktionen im Schulbereich:
Bei Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1
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hat die Schulleiterin bzw. der Schulleiter unverzüglich die jeweils zuständige Bildungsdirektion zu verständigen.
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Diese hat die Erziehungsberechtigten unverzüglich, jedenfalls innerhalb von 4 Schultagen, zu einem verpflichtenden Gespräch zu laden.
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In dem Gespräch sind die Gründe für den Verstoß zu erörtern.
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Zur Vermeidung weiterer Verstöße sind die Erziehungsberechtigten über ihre Verantwortung aufzuklären;
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dies ist schriftlich festzuhalten und der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter zur Kenntnis zu bringen.
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Kommen die Erziehungsberechtigten der verpflichtenden Ladung nach nochmaliger Aufforderung nicht nach, oder
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Verweigern sie die Unterzeichnung des Protokolls, oder
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findet nach dem Gespräch ein weiterer Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1 statt,
so stellt dieser eine Verwaltungsübertretung durch die Erziehungsberechtigten dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 440 €, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.“
Sanktionen im Bereich der elementaren Bildungseinrichtungen:
Erziehungsberechtigte, die nicht für die Einhaltung dieser Bekleidungsvorschriften sorgen, begehen eine Verwaltungsübertretungen und sind mit Geldstrafen bis zu 110 Euro zu bestrafen; Ersatzfreiheitsstrafen werden nicht verhängt.
Erläuterungen, wie die Bestimmung des Abs.1 zu verstehen ist, werden vom BMBWF im Rundschreiben 17/2019 angeführt:
Zu „weltanschaulich und religiös geprägt“:
Die Regelung stellt darauf ab, wie eine Bekleidung von einem objektiven Betrachter wahrgenommen wird. Es kommt dabei nicht auf die persönliche Absicht des Trägers an. Entscheidend ist, wie diese von Dritten rezipiert wird. Im Fall von Verstößen ist daher eine individuelle Begründung der Trägerin oder der Eltern unerheblich. Es kommt ausschließlich auf die Erfüllung des Tatbestandes der „Verhüllung des Hauptes“ an.
Zu „Verhüllung“
„Verhüllung des Hauptes“ meint „jede Art von Bekleidung, die das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllt.
Daher fallen beispielsweise die jüdische Kippa und auch die Patka, die von Sikhs in diesem Alter getragen wird, nicht unter diese Regelung.
Zu „Meldung“
Jede Lehrkraft einer Schule hat bei der Feststellung eines Verstoßes unverzüglich die Schulleitung zu verständigen.
Um diesem Auftrag Nachdruck zu verleihen wird angeführt, dass in der Vergangenheit die Unterlassung von gesetzlich verpflichtenden Meldungen in Einzelfällen zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen Amtsmissbrauchs geführt hat, weshalb aus Gründen der Vorsicht im Zweifelsfall jedenfalls eine Meldung an die Schulleitung bzw. von dieser an die Bildungsdirektion zu erstattet werden sollte.
Die Schulleitung hat unverzüglich, d. h. ohne Verzögerung, also jedenfalls am gleichen Tag, die Bildungsdirektion unter Mitteilung der wesentlichen Daten des Verstoßes, zu verständigen.
Relevanz für den Sportunterricht:
(aus: RS 22/2019)
Kindern „unter 10“ ist, das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, die mit einer Verhüllung des Hauptes verbunden ist, auch im Bewegungs- und Sportunterricht gesetzlich untersagt.
Bei Schüler/innen ab dem 10. Lebensjahr, die trotz entsprechendem Hinweis darauf bestehen, eine Kopfbedeckung aus weltanschaulich oder religiösen Gründen zu tragen, muss uneingeschränkt gewährleistet sein, dass diese nicht durch Kämme, Haarnadeln oder -spangen befestigt ist. Durch die genannte Befestigung würde sich die Verletzungsgefahr im Rahmen des Bewegungs- und Sportunterrichts (z.B. Drehbewegungen, Ballsport, Tragen eines Helms beim Radfahren oder Klettern) deutlich erhöhen. Auch die Befestigung der Kopfbedeckung durch Fixierung um den Hals ist aus Sicherheitsgründen untersagt.
Ein Ersatz kann das Tragen einer dünnen Haube, unter die die Haare gesteckt werden können, sein.
Das Tragen einer Kopfbedeckung stellt im Bewegungs- und Sportunterricht nicht nur eine Verletzungsgefahr dar, sondern kann bei höheren Temperaturen auch zu einer Überhitzung des Körpers der Schüler/innen beitragen. Dies kann wiederum negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System der Schüler/innen haben und ihre Gesundheit beeinträchtigen. Sofern das Tragen der Kopfbedeckung mit dem Tragen längerer Kleidung einhergeht, wird dieser Effekt noch zusätzlich verstärkt. Die Lehrperson hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Schüler/innen im Bewegungs- und Sportunterricht den Verhältnissen entsprechend angemessene Kleidung tragen.
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- Kategorie: Elternbrief Dezember 2019