LRS-Leistungsfeststellung und -beurteilung
LRS steht für Lese-/RechtschreibSchwierigkeiten und umfasst sowohl
o die Lese-/Rechtschreibschwäche als auch
o die Lese-/Rechtschreibstörung nach WHO-Definition ICD-10.
„Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten sind ein pädagogisches Thema, das in die Schule gehört. Die Lehrpersonen sind als Fachleute befähigt, Lernschwächen von SchülerInnen zu erkennen, differenziert zu erfassen und qualifizierten Unterricht und Förderung anzubieten.
"Im Mittelpunkt des schulischen Umgangs mit Lese-/Rechtschreibproblemen steht die frühzeitige Identifikation dieser Probleme durch die/den KlassenlehrerIn mit dem Ziel, die Situation für die/den SchülerIn zu verbessern. Die Probleme sollen von den Lehrpersonen sicher erkannt, im gemeinsamen Austausch beschrieben/bewertet werden und dann in einer entsprechenden Unterstützung für die SchülerInnen ihren Niederschlag finden. Durch den Einsatz von standardisierten Screeningverfahren erhalten die Lehrpersonen zusätzliche Sicherheit in der Beurteilung einer allenfalls vorliegenden LRS.
Treten im Laufe des Lernprozesses bei SchülerInnen Schwierigkeiten auf, so sollten die primären schulischen Maßnahmen auf einen angemessenen Unterricht, eine entsprechende Leistungsbeurteilung und allenfalls eine Förderung abzielen. Dabei sind LRS-Kinder darauf angewiesen, dass auf Seiten der Lehrpersonen ein besonderes Problemverständnis vorherrscht. Die Entscheidung, welche individuellen Fördermaßnahmen für das jeweilige Kind Anwendung finden, liegt in der Verantwortung der Lehrperson. Grundsätzlich sind jedoch alle Möglichkeiten im Rahmen des Schulunterrichts auszuschöpfen, um die SchülerInnen beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens bestmöglich zu unterstützen. Dazu wäre es wünschenswert, wenn sich zumindest eine qualifizierte LRS-Ansprechperson an jeder Schule befindet.“ (aus: LRS-Handout - https://www.bildung-stmk.gv.at )
„Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit sind wichtige Zielsetzungen im österreichischen Schulsystem. Vorliegende Richtlinien geben die Möglichkeit, alle Schülerinnen und Schüler mit auffallenden Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten zu unterstützen.“ Aus Rundschreiben RS 24/2021 (bmbwf)
Wie eine Umsetzung im schulischen Alltag erfolgt, ist sehr individuell. Nicht nur die Disposition des betroffenen Kindes sondern insbesondere auch die Positionen der Schulen bzw. Lehrpersonen sind sehr unterschiedlich. Das führt auch immer wieder zu Spannungen.
Im Rahmen von EuLe (Info für ElternundLehrpersonen) hat der Leiter der Abteilung Schulpsychologie und Ärztlicher Dienst Herr HR Dr. Josef Zollneritsch wichtige Einblicke und Anregungen vermittelt:
WICHTIG:
Je früher etwaige Schwierigkeiten erkannt und beachtet werden umso besser für das Kind.
Nicht die Note soll im Vordergrund stehen, sondern die Kompetenzen des Kindes, dh. was das Kind tatsächlich kann.
Die Kinder sollten die Grundstufe 1 (also die 2. Schulstufe) nicht ohne ausreichende Schreib- und Lesekompetenz verlassen.
ANNAHME:
Im Prinzip sind alle Kinder in der Lage, Lesen und Schreiben zu lernen. Die Frage ist jedoch, wie lange sie dafür brauchen/ wie leicht oder schwer sie sich tun.
Daher:
Ruhe im Lernprozess, denn sie ermöglicht die Entwicklung eines positiven Leistungs-Selbstwertgefühls des Kindes. Es braucht eine innere Gelassenheit, damit Entwicklungen in Gang kommen können. Den Kindern etwas zutrauen hilft, dass sich die Kinder selbst etwas zutrauen und ihr Selbstwertkonzept aufbauen.
Große, übersichtliche Schriftstücke (kein Zusammenkopieren von zwei A4 Übungsblättern auf ein A4 Blatt, ...), ausreichend Zeit (nicht Tempo statt Denken) jedoch Hilfestellung bei "Trödlern", ... , dienen der Unterstützung.
Zu bedenken:
Schulpflicht und somit Schuleintritt richtet sich nach dem Geburtsdatum (errechnet oder tatsächlich), sodass Unterschiede von bis zu 4 Entwicklungsjahren bei den Kindern einer Klasse vorliegen können. Damit einher geht oft ein Gefühl der Überforderung bzw. Überlastung.
Mitwirkung der Erziehungsberechtigten ist wesentlich. Sie sollen wissen, wie Schule funktioniert und was sie als Eltern, die in der Regel ja keine pädagogisch ausgebildeten Personen sind, beitragen können.
Vorlesen ist so ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung von Sprachkompetenz und Freude am Lesen
Ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Lehrperson ist bedeutende Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit: Niemand ist perfekt!
Wichtig: Man kann über alles reden und pflegt ein kooperatives Verhältnis.
Lese-, Rechtschreibschwierigkeiten und dann?
Der Begriff Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten umfasst sowohl
die Lese-/Rechtschreibschwäche als auch
die Lese-/Rechtschreibstörung nach WHO-Definition ICD-10.
Über die Homepage der Bildungsdirektion Stmk. gibt es viele Informationen
www.bildung-stmk.gv.at >> Service >>
WICHTIGE FESTSTELLUNG:
Jedes Kind hat das Recht auf Förderung unabhängig davon, ob es eine Diagnose bzw. ein Gutachten vorweisen kann!
Die im Rundschreiben unter Punkt 1 "Allgemeine Fördermaßnahmen" angeführten Punkte sind daher immer zu berücksichtigen. zB:
Bei Schülerinnen und Schülern mit Leseschwierigkeiten ist darauf zu achten, dass die Angaben im Rahmen von Leistungsfeststellungen in einer der Lesefertigkeit angemessenen Schriftgröße und Übersichtlichkeit (Schriftlayout) gestaltet werden.
Im Sinne eines sprachsensiblen Unterrichts sollte berücksichtigt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit Leseschwierigkeiten durch sprachlich sehr komplexe Angaben überfordert sein können. Insofern sollte auf klare und gut verständliche Formulierungen geachtet werden.
Rahmenbedingungen bei Leistungsfeststellungen entsprechend angepasst ... z.B. Arbeit am Computer: vorgesehen sind ein Textverarbeitungsprogramm, die Nutzung einer elektronischen Korrekturhilfe und ein elektronisches Wörterbuch;
Hörverstehen: Pausieren/Unterbrechen der Audiodateien (auch selbstgesteuert)
1-2 zusätzliche Hörphasen
Leistungsfeststellung und -beurteilung
Für alle Kinder, auch jene die Probleme haben, gilt die Leistungsbeurteilungsverordnung.
Diese kennt keine Ausnahmen.
ABER:
Es gibt erlassmäßige Vorkehrungen!
Vom „Unterrichtsministerium“: -seit 1. April 2025: Bundesministerium für Bildung bmb
Richtlinien für den Umgang mit Lese-/Rechtschreib-schwierigkeiten (LRS) im schulischen Kontext RS 24/2021
über die Rundschreibendatenbank erreichbar >> https://rundschreiben.bmbwf.gv.at/
Von der Bildungsdirektion Steiermark
In Ergänzung zum ministeriellem Rundschreiben: Richtlinien für den Umgang mit Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) im schulischen Kontext
Sowie einen Erlass: Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) GZ: IVBi1/0098-BD-STMK/2021
Bei Lese-/Rechtschreibschwäche
ist Punkt 2. des Rundschreibens 24/2021 besonders zu beachten:
Er enthält jene Bestimmungen der LBVO und der Lehrpläne, denen -obgleich sie für alle Schülerinnen und Schüler aller Schularten und Schulstufen gelten, im Falle einer Lese-/Rechtschreibschwäche besondere Bedeutung zukommt, nämlich:
Im § 16 der LBVO werden fachliche Aspekte für die Beurteilung von Schularbeiten angegeben. Für die Beurteilung in den Unterrichtsgegenständen Deutsch und den Lebenden Fremdsprachen sind (zusammengefasst) die fachlichen Aspekte
• Aufbau und Inhalt,
• Ausdruck und Wortschatz,
• Sprachrichtigkeit und
• Schreibrichtigkeit
angegeben. Schularbeiten und andere schriftliche Leistungsfeststellungen dürfen daher nicht ausschließlich nach Art und Anzahl der Rechtschreibfehler beurteilt werden.
Sowohl aus den Lehrplanbestimmungen als auch aus der Verordnung über die Leistungsbeurteilung ergibt sich somit, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige Grundlage der Leistungsbeurteilung sein darf.
Verstöße im Bereich der Rechtschreibung (sowie der Grammatik) sind Fehlerkategorien zuzuordnen. Identische Fehler sind dabei nur einmal zu werten (§ 15 Abs. 3 LBVO). Dadurch soll erreicht werden, dass Schülerinnen und Schüler mit Rechtschreibschwäche sich auf die Verbesserung einzelner Fehlerarten konzentrieren können.
In anderen Unterrichtsfächern als im Unterrichtsgegenstand Deutsch und in den Lebenden Fremdsprachen haben das Lese- und das Rechtschreibvermögen der Schülerin oder des Schülers keinen Einfluss auf die Notengebung.
Im Falle einer Lese-/Rechtschreibstörung
kommen weitere Bestimmungen zusätzlich zum Tragen (Punkt 3 des RS 24/2021):
SchUG § 18 (6)
"Schüler, die wegen einer körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen können oder durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet wären, sind entsprechend den Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung bzw. gesundheitlichen Gefährdung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen, soweit die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes grundsätzlich erreicht wird."
LBVO § 2 (4)
"Eine Leistungsfeststellung ist insoweit nicht durchzuführen, als feststeht, daß der Schüler wegen einer körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen kann oder durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet ist."
LBVO § 11 (8)
"Schüler, bei denen hinsichtlich der Leistungsfeststellung § 2 Abs. 4 anzuwenden ist, sind entsprechend den Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung bzw. auf die gesundheitliche Gefährdung erreichbaren Stand des Unterrichtes zu beurteilen, soweit die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes grundsätzlich erreicht wird."
Intensiv diskutiert wurde die Problematik, dass sich aus den Formulierungen keine Verbindlichkeit für die Lehrpersonen abzuleiten scheint.
Kann oder MUSS? –
HR Dr. Zollneritsch bezieht klar Stellung:
Erlässe und Rundschreiben werden auf Basis (im Rahmen) von Gesetzen und Verordnungen erlassen. Sie stellen quasi eine Erläuterung und Hilfestellung für die Betroffenen dar, wie die Gesetze zu verstehen sind bzw. was in deren Rahmen zulässig ist. Sie sind somit verbindliche Dokumente, auch wenn das Modalverb "kann" oder die Wendung "es besteht kein Einwand" verwendet wird.
"Schülerinnen und Schüler mit einer Lese-/Rechtschreibstörung kann ... ein Zeitzuschlag gewährt werden. ..."
"Rechtschreibfehler, die auf einer Lese-/Rechtschreibstörung basieren, können bei der Leistungsbeurteilung im Unterrichtsgegenstand Deutsch bzw. in Fremdsprachen ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben."
"Es besteht kein Einwand, dass Schülerinnen und Schülern bei der Leistungserbringung bei schriftlichen Arbeiten zeitgemäße Hilfsmittel zur Überprüfung der Schreibrichtigkeit zur Verfügung gestellt werden (z.B. Verfassen der Arbeit am PC: vorgesehen sind ein Textverarbeitungsprogramm, die Nutzung einer elektronischen Korrekturhilfe und ein Online-Wörterbuch)"
Die Maßnahmen Zeitzuschlag, Fehlerclustern, Hilfsmitteleinsatz, ... MÜSSEN somit umgesetzt werden, wenn sie pädagogisch notwendig sind.
Was sein kann bzw. darf wird wenn sinnvoll/erforderlich zum Muss!
Pädagogen und Pädagoginnen sind hochqualifizierte Fachkräfte, denen der Gesetzgeber nicht jedes Detail vorschreibt sondern Spielräume eröffnet, die jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen anzuwenden sind.
Ein differenzierender Zugang ist zwingend, Sachlagen zu benennen wichtig und die besonderen Maßnahmen gegebenenfalls auch den anderen Kindern gegenüber zu begründen ist zweckmäßig, damit nicht eine " Sonderstellung" angenommen wird bzw. die Maßnahmen verstanden und zugestanden werden.
Für die "Anerkennung" als Lese-/Rechtschreibstörung ist eine Diagnose erforderlich.
Diagnose durch wen?
Diese wird von Schulpsychologen erstellt oder bestätigt.
Sucht man mit dem Kind die Schulpsychologie auf und ergibt die Untersuchung dort die Diagnose: "Lese-/Rechtschreibstörung", erhält die Schule die entsprechende bindende Mitteilung -jedoch kein Gutachten. Statt eines Gutachtens bietet die Schulpsychologie das Gespräch an der Schule an.
Hat man für das Kind ein Gutachten einer externen "Fachperson", so kann die Schule vor Anerkennung der Diagnose die Fachmeinung der Schulpsychologie einholen.
Resümee
Die Schule ist verpflichtet, alle erdenklichen Differenzierungsmaßnahmen und Hilfestellungen vorzunehmen, damit Kinder mutig und selbstbewusst die Bewältigung der Herausforderungen aufnehmen und willens bleiben weiterzulernen. Sie sollen auch das Positive in der Sache erkennen, bestärkt/gestärkt und ermutigt werden um ein tragfähiges Leistungs-Selbstkonzept entwickeln zu können.
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- Kategorie: Elternbrief Mai 2025