Verabreichung von (Notfall-) Medikamenten
Möglichst allen Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen erfordert auch ihre medizinische Situation zu berücksichtigen und die Kinder bei der Einnahme ihrer Medikamente zu unterstützen sowie im Notfall die mitgeführten Notfallmedikamente rasch zu verabreichen. Um Lehrpersonen mehr Sicherheit im Umgang mit derartigen Situationen zu vermitteln, aber auch um die Unerlässlichkeit ihres Tätigwerdens zu unterstreichen wurden mehrere „rechtliche Klarstellungen“ vorgenommen.
Geschäftszahl: BMBWF-10.010/0131-Präs/10/2018 - 13. September 2018
28.August 2019: RS 13/2019 Medizinische Laientätigkeiten, Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Lehrpersonen, Verhalten im Notfall
Reagieren bei epileptischen Anfällen - Verabreichen eines Notfallmedikaments
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird wiederholt mit der Frage konfrontiert, wie Lehrkräfte bei epileptischen Anfallen von Schülern/Schülerinnen zu reagieren haben. Vielfach scheinen Lehrkräfte mit dem Verabreichen der von den Schülern/ Schülerinnen zu diesem Zweck mitgeführten Notfallmedikation zu zögern, weil sie im Schadensfall straf- und/oder haftungsrechtliche Folgen befürchten. Diese Befürchtung ist weitgehend unbegründet.
Ausgangssituation (Ärztegesetz 1998, Gesundheits- und Krankenpflegegesetz)
Als medizinische Laien dürfen Lehrkräfte an sich nur einfache medizinische Tätigkeiten übernehmen. Dazu gehören etwa das orale Verabreichen eines ärztlich verschriebenen Medikaments oder das Überwachen einer vom Schüler/von der Schülerin selbständig vorgenommenen Medikamenteneinnahme. Alles über das Laien zumutbare Maß Hinaus-gehende ist Ärzten/Ärztinnen bzw. Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe vorbehalten. Dieser prinzipielle Vorbehalt gilt jedoch nicht undifferenziert. Es kann Situationen geben, in denen Laien sogar verpflichtet sein können Tätigkeiten zu über-nehmen, die ansonsten Ärzten/Ärztinnen bzw. dem medizinischen Fachpersonal vorbehalten sind. Dazu gehört die Hilfeleistung in Notfällen.
Nicht jeder epileptische Anfall wird zum Notfall. In aller Regel endet ein Anfall nach ein bis zwei Minuten. Dauert er jedoch fünf Minuten oder länger, drohen bleibende gesundheitliche Schäden, wenn das Notfallmedikament nicht rechtzeitig in der vorgesehenen Weise verabreicht wird.
Hilfeleistung in Notfällen
Gemäß § 95 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) ist jeder/jede bei Gefahr einer beträchtlichen Gesundheitsschädigung zur offensichtlich erforderlichen Hilfeleistung verpflichtet. Die Bestimmung betrifft also nicht bloß Lehrkräfte, sondern jede Person, die in einer gegebenen Situation zur Hilfeleistung in der Lage ist. Ein drohender dauernder Gesundheitsschaden ist im Sinn dieser Regelung ohne Zweifel beträchtlich.
Was unter offensichtlich erforderlicher Hilfe zu verstehen ist, ist situationsabhängig. Das bloße Herbeirufen von ärztlicher Hilfe ist jedenfalls nicht ausreichend, wenn für die Lehrkraft erkennbar ist, dass die Hilfe nicht rechtzeitig eintreffen wird und ihr weitere Maßnahmen zur Verfügung stehen. Führt ein unter Epilepsie leidender Schüler/eine unter Epilepsie leidende Schülerin ein ärztlich verordnetes Notfallmedikament mit sich, sind die Lehrkräfte verpflichtet sich vorsorglich über dessen Handhabe zu informieren, weil eine durchschnittlich verantwortungsbewusste Lehrkraft mit dem möglichen Einsatz des Medikaments rechnen muss. Sich in dieser Angelegenheit vorab kundig zu machen, um für eine eventuell eintretende Stresssituation besser gerüstet zu sein, ist Teil der lehramtlichen Obliegenheiten im Sinn der einschlägigen dienstrechtlichen Regelungen (z. B.: § 31 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, § 211 Beamten-Dienstrechtsgesetz, § 43a Vertragsbedienstetengesetz).
Es ist die Pflicht der Erziehungsberechtigten die Schule über die Erkrankung sowie über alle zeitlichen und ablaufsmäßigen Vorgaben einer allenfalls zu treffenden Notfallmaßnahme zu informieren. Diese Informationspflicht ergibt sich aus § 61 Abs. 1 SchUG i. V. m. § 160 Abs. 1 ABGB.
Das Versagen der zumutbaren und erforderlichen Hilfeleistung in Notfällen stellt einen Straftatbestand dar. In aller Regel ist das Untätigbleiben oder das unzureichende Ergreifen von zur Verfügung stehenden Maßnahmen deutlich riskanter, als in einem Notfall zu reagieren und dabei möglicherweise Fehler zu machen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch bei bzw. nach Gabe der Notfallmedikation der Arzt/die Ärztin zu verständigen ist.
Haftung
Wie erwähnt, gehört das Verabreichen eines ärztlich verschriebenen Notfallmedikaments zu den sich aus der lehramtlichen Stellung ergebenden Obliegenheiten im Sinn der oben angesprochenen dienstrechtlichen Vorschriften. Die Abgabe des Medikaments geschieht im Rahmen der den Lehrkräften übertragenen Aufsichtsführung nach § 51 Abs. 3 SchUG. Kommt ein Schüler/eine Schülerin dabei zu Schaden, liegt ein Schülerunfall vor (§ 175 Abs. 4 ASVG). Die Heilungskosten werden von der gesetzlichen Schülerunfallversicherung getragen. Ein In-Anspruch-Nehmen der Lehrkraft verhindern die §§ 333 und 335 ASVG. Das gilt auch für etwaige Schadenersatzforderungen von Seiten des geschädigten Schülers/der geschädigten Schülerin. Ersatzweise ist die Lehrkraft auch durch das Amtshaftungsrecht vor
Schadenersatzforderungen geschützt, weil das Ausüben von Aufsicht, wie der Unterricht selbst, eine hoheitliche Tätigkeit ist. Die Furcht, wegen eines Fehlers bei der Gabe des Medikaments schadenersatzrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, ist unbegründet.
Die Landesschulräte/der Stadtschulrat für Wien werden gebeten die Schulleitungen zu informieren.
Wien, 13. September 2018, Für den Bundesminister:, Dr. Rainer Fankhauser
Bestimmungen im SchUG
Neuer Paragraph im Schulunterrichtsgesetz - § 66b *
Ausübung ärztlicher Tätigkeiten nach § 50a Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 durch Lehrpersonen –SchUG § 66b
§ 66b. (1) Die Ausübung einzelner gemäß § 50a Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998, übertragener ärztlicher Tätigkeiten durch Lehrpersonen, in Bezug auf Schülerinnen und Schüler, die an einer Schule im Sinne dieses Bundesgesetzes in deren Obhut stehen, gilt als Ausübung von deren Dienstpflichten. Die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten gemäß § 50a ÄrzteG 1998 durch Lehrpersonen erfolgt auf freiwilliger Basis und darf Lehrpersonen nicht angeordnet werden. Neben der Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen gemäß § 50a ÄrzteG 1998 ist zusätzlich die Zustimmung der einsichts- und urteilsfähigen Schülerin bzw. des einsichts- und urteilsfähigen Schülers (§ 173 ABGB) oder bei einer nicht einsichts- und urteilsfähigen Schülerin bzw. einem nicht einsichts- und urteilsfähigen Schüler deren bzw. dessen Erziehungsberechtigten erforderlich.
(2) Im Übrigen dürfen Lehrpersonen im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeiten Schülerinnen und Schülern gegenüber nur dann medizinische Tätigkeiten erbringen, wenn es sich um Tätigkeiten, die jeder Laie erbringen darf, oder um einen Notfall handelt.
Nähere Ausführungen dazu im Rundschreiben 20/2017 BMB-10.050/0032-Präs.12/2017 Punkt 4.
siehe auch: Erste Hilfe - Leistung ist mehr als das Herbeirufen eines Arztes EB Sep.2015
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- Kategorie: Elternbrief Dezember 2018